ALLGEMEIN



Ziel ist, Sport- und Kulturbegeisterten eine Plattform für spannende Diskussionen zu den Themen Gleichstellung, Fankultur und Vorbilder im Fussball zu bieten.


Ikonenverehrung, Konsum, Fangruppierungen, millionenschweres Sponsoring – Sport und insbesondere Fussball wiederspiegelt und beeinflusst die Gesellschaft.

Seit den 1980er-Jahren befindet sich die Gesellschaftordnung in einem grundlegenden Wandel, der sich besonders im Aufbrechen der geschlechtsspezifischen Rollenbilder zeigt. Auch der Sport ist von der Neustrukturierung der Gesellschaft betroffen, da wir diesen nicht als autonomes Phänomen, sondern als einen Spiegel der Gesellschaft verstehen. 

Spiegel?

Längst kicken nicht mehr nur männliche Profis und Breitensportler; und nur vermeintlich tauchen Frauen ‘bloss’ in Gestalt der Freundin des Fussballbegeisterten auf oder interessieren sich lediglich für die athletischen Männerkörper auf dem Rasen. Frauen und Männer ‘fanen’ gleichermassen ihren Idolen auf dem Platz nach. Aus den Kurven dröhnt und buht und bebt es noch meist im Tenor, während im Familiensektor Christiano Ronaldo mehr nachgeeifert wird als einem lokalen berührbaren Fussballer, geschweige denn einer Fussballerin.

Wiederspiegelt der Sport und insbesondere Fussball in Anbetracht dieser Fragen die Gesellschaft wirklich?

Die Veranstaltungsreihe ‘Fussball im Wandel’ dient dazu, eben genannten Beispielen aus dem realen Fussballleben auf den Grund zu gehen und dabei behilflich zu sein, Vorurteile abzubauen und Fussball mitsamt seinen Begleiterscheinungen in einen tatsächlichen Spiegel der Gesellschaft zu verwandeln. Im sportlichen Umfeld herrschen unterschiedliche Bedingungen für die Geschlechter. Besonders in den Männer-dominierten Sportarten Fussball und Eishockey werden die (v.a. körperlichen) Unterschiede von Frau und Mann deutlich hervorgehoben. Das wirkt sich auf die Ausübung der Sportart aus, auf Möglichkeiten, Chancen und Herausforderungen. Profikarrieren von Frauen sind in diesen beiden Sportarten in der Schweiz nicht existent und erhalten wenig Aufmerksamkeit von potenziellen Investoren. Die Zuschauerränge geben ein mehrheitlich männlich dominiertes Bild ab, trotz des Wandels der Gesellschaftsordnung und dem Schrei nach Gleichstellung von Mann und Frau in Familie und Beruf. Auch im Sport sollte diese Thematik aufgeworfen werden. Die Frauenfussball-Weltmeisterschaft in Frankreich im Sommer 2019 sowie die wachsende Popularität von Fussballerinnen, in erster Linie dank Social Media, hat nur für eine kurze Welle der Aufmerksamkeit gesorgt. Im Rahmen des Frauenstreiks vom 14. Juni 2019 wurden Sportlerinnen gar ihrer mangelnden Beteiligung gerügt (Artikel NZZ online hier). Das Forum für Sport und Gesellschaft nimmt daher in einer ersten Veranstaltungsreihe die Themen Gleichstellung, Fankultur und Vorbilder auf, immer in Anlehnung an den Spiegel der Gesellschaft.



Sport und Kultur – passt das zusammen?



Dem Sport ist kein spezifischer Platz in der Kultur zugewiesen. Sowohl in Sport- als auch in Kulturkreisen (nach eigener Beobachtung) und auch in diversen Departementen der öffentlichen Verwaltung ist sichtbar, dass davon ausgegangen wird, dass Sport und Kultur nicht zusammenpassen und eine jeweils eigene Interessensgemeinschaft bilden, wenn nicht sogar einander grundsätzlich (Ideologien, Fördermassnahmen-‘Battle’ oder ähnliches) gegenübergestellt werden. Teilweise könnte man meinen, potentiell beidseitig Interessierte hätten sich zu entscheiden, ob sie sich eher dem Sport/der sportlichen Betätigung oder dem Kultur-Genuss/-schaffen zugehörig zu fühlen hätten. Die jeweiligen Stereotypen des Sportlers/der Sportlerin und des/der Kulturschaffenden sind im Rahmen dieses ‘Battles’ auch mit vielen Klischées verbunden. Philippe Bischof, Direktor der Kulturstiftung Pro Helvetia, begründet die Trennung von Kultur und Sport folgendermassen:

“Tatsächlich ist es so, dass einem breiten Kulturbegriff viele Praktiken und verschiedene Tätigkeiten – wie zum Beispiel Sport, Kochen oder auch gesellschaftliche Traditionen und Bräuche – zugeordnet werden können. Überspitzt gesagt könnte man behaupten, alle gesellschaftlichen Aktivitäten und Phänomene seien Teil eines solch breiten Kulturbegriffs (vgl. dazu die alltagssprachlichen Begriffe wie ‘Kochkultur’, ‘Unternehmenskultur’ etc.). Die aktuelle Praxis der Kunst- und Kulturförderung bezieht sich hingegen auf einen engeren Kulturbegriff und ist über entsprechende Leistungsaufträge auf gesetzlicher Ebene definiert (für den Bund: das Kulturförderungsgesetz ‘Bundesgesetz über die Kulturförderung, KFG’). Sportförderung (in einem breiten Sinn) andererseits liegt auf Bundesebene nach dem Willen des Gesetzgebers im Aufgabenbereich des Bundesamts für Sport (BASPO) und ist über das Bundesgsetz über die Förderung von Sport und Bewegung (Sportförderungsgesetz, SpoFöG) geregelt.”


Auffällig ist, dass Sport dem Departement für Verteidigung und Bevölkerungsschutz angeschlossen ist. Das weist stark darauf hin, dass Sport eher als ‘körperliche Ertüchtigung’ empfunden wird und in keiner Weise auf die gesellschaftsformende Wirkung eingegangen wird. Doch bedeutet die Gründung und Veränderung jeder Sportart eine Abbildungsfläche der Gesellschaft und deren Entwicklung. Als Teil eines gesamtgesellschaftlichen Entwicklungsprozesses und daher sozial und kulturell geformt, hat jede Kultur eine für sie bezeichnende Auffassung von Sport, mit eigenen Spielregeln und eigenen vom jeweiligen Volk geprägten Voraussetzungen. Die Neustrukturierung der Gesellschaft ist in all ihren Facetten gleichermassen eingebunden wie die Medien und damit die wirtschaftliche Komponente millionenschweren Sponsorings. Egal, ob Konsumverhalten, Erlebnishunger und Freizeitgestaltung in Form von Publikumsinteresse, oder die alters-, schichten- und geschlechtsspezifische Einbindung, Sport beeinflusst das gesellschaftliche Geschehen (Jugend, Bildung, Gesundheit, Umwelt, Freizeit, Raumplanung, Tourismus, Wirtschaft, Kultur). Besonders Fussball wiederspiegelt vermeintlich die Gesellschaft.




vfsg Verein Forum für Sport und Gesellschaft, 2020 Zürich